Ohne Sorge
24. Januar 2022
Von: André Uhlig ⁄ Wassersommelier
Heilwässer gehören zu den ältesten natürlichen Heilmitteln, deren Wirkung uns aus der frühen Antike bekannt ist. Dass wir heute wie selbstverständlich die vorbeugende, lindernde bis heilende Wirkung eines Heilwassers erleben können, war nicht immer so. Für Könige und Herrscher erschlossen sich lange Zeit weder der nachweisliche Nutzen noch der Zugang zu so einem ursprünglichen Produkt aus geschützten unterirdischen Vorkommnissen.
„Die Wässer sind genauso beschaffen wie der Untergrund, durch den sie fließen.“
Erst neuzeitliche Methoden aus den Naturwissenschaften konnten den gesundheitsförderlichen Wert bestätigen. Daraufhin machten in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts etliche Ärzte und Apotheker einschlägige Erfahrungen in praktischer Anwendung, während sie das kostbare Nass bekannt machten.
Frühsommer 1747 in Potsdam
Umgeben von der Königsfamilie sowie zahlreichen prominenten Gästen schreitet Friedrich der Große genussvoll über seine neu angelegte Weinbergterrasse. Alle sind sie gekommen mit ihm die Einweihung von Schloss „Ohne Sorge“ (franz. sans souci) zu feiern.
Bei meiner Recherche zum Getränkeangebot an diesem Festtag suche ich die üppig gedeckte Tafel vergeblich nach Mineral- und Heilwasser in Glasflaschen ab. Der Ausschank erfolgt, wenn überhaupt, aus Tonkrügen, dem modernsten Gebinde seiner Zeit.
Königlicher Appetit
Friedrich II. in Preußen, später auch "der Große" genannt, war für seinen übervollen Terminkalender bekannt. Abwechslung verschaffte er sich unter anderem mit dem Genuss von frischem Obst. Pfirsiche, Kirschen, Feigen und mehr kamen meistens aus dem schlosseigenen Garten. Seine Vorliebe galt allerdings den fettigen und stark gewürzten Speisen. Diese Kombination alleine wäre nicht so schlimm gewesen, wenn das Maß dessen, was ein Mensch vertragen kann, nicht regelmäßig überschritten worden wäre. Seine häufigen Verdauungsprobleme zwangen ihn, sich mit dessen Ursachen zu beschäftigen.
Fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker
Nach dem Festakt hätte ich mich mit einem seiner nahestehenden Hofärzte verabredet, um den Nutzen eines Heilwassers abzustimmen. Anschließend hätte ich mit dem König einige Wasser verblendet getestet, wie ich es auch heute in Veranstaltungen zu tun pflege. Welches Wasser passt während oder nach dem Genuss von Speisen, aber welches lindert vor allem seine Verdauungsleiden? Mit dem jeweiligen Heilwasser, was ihm guttut, wäre die langsame Steigerung der generellen Wassertrinkmenge über den Tag und die Woche verteilt eingeübt worden.
„Alles wohl erwogen, ist gute Verdauung wichtiger als Philosophie.“
Tagesseminar am Königshof
In Anbetracht der Beschwerden des 35-jährigen Königs hätte ich für einen zeitgemäßen Ernährungsplan meine Kolleginnen aus der Ökotrophologie angefragt. Und natürlich auch erfahrene Ärzte wie der Facharzt für Urologie, Dr. med. Dirk Fahlenkamp, der sich in seinem Buch² eingehend mit den Krankheitssymptomen und Lebensumständen des Königs auseinandergesetzt hat, wären Teil des Beraterteams aus der Zukunft gewesen.
Man musste stets gut vorbereitet sein, um dem gelehrten König überzeugende Problemlösungen zu präsentieren. Hatte er sich doch im Laufe der Zeit eine Menge medizinisches Fachwissen angeeignet, was er stetig mit den Gelehrten seiner Zeit auf den neusten Stand brachte. Hätten unsere Empfehlungen sein Interesse wecken können? Friedrich II. war wissensdurstig und pragmatisch zugleich. Möglicherweise hätte er nach dem Seminar zunächst den Bestand seiner Bibliotheken erweitert, vielleicht aber sogleich einige Erkenntnisse in seinen Tagesablauf eingetaktet.
„Kein Arzt war sich seiner Fragen sicher. Vielleicht waren die nicht wenigen eigenen Krankheiten besonderer Ansporn seines Interesses an der Medizin und der Chemie.“
Heilwässer weltweit begehrt
Im selben Jahrzehnt, weit weg von der Terrasse des preußischen Regenten, werden im nassauischen Limburg an der Lahn die sprudelnden Wassereigenschaften zweier Quellorte bekannt. Erste Lieferungen an Ärzte und Apotheker verlassen Niederselters und Fachingen. Die wohltuenden Wasser werden in Tonkrügen abgefüllt. Prominente aus dem In- und Ausland gehören zu den begehrten Abnehmern. Ende des 19. Jahrhunderts erfolgt die Umstellung auf Glasflaschen.
Heute steht Selters als Synonym für Mineralwasser. Staatl. Fachingen Still dagegen gehört zu den bekanntesten Heilwässern Deutschlands. Neben anderen jüngeren Entdeckungen wie z. B. dem Bad Windsheimer St. Anna Heilwasser, welches sich zur Anregung der Verdauung und zur unterstützenden Behandlung bei Harnwegsinfekten eignet.
Lange Zeit bleibt das Trinken von Heilwasser den Reichen vorbehalten. Ob Friedrich II. in Preußen den Kauf eines Kruges Staatl. Fachingen für fünf Kreutzer, damals der Tagesverdienst eines Arbeiters, als sinnvolle Investition in seine Gesundheit empfunden hätte?
Weder Zufall noch Glück
Wenn mir das regelmäßige Trinken von Heilwasser guttut, kann ich davon ausgehen, dass es mit seinen besonderen Eigenschaften wirksam werden konnte. Heilwasser unterliegt in Deutschland dem Arzneimittelrecht. Das Wasser wird auf seine Eignung umfänglich getestet, bevor es offiziell als Arzneimittel anerkannt wird. Erst dann ist der medizinische Nachweis erbracht, dass sich das Wasser in seiner Wirkung für bestimmte Krankheiten als vorbeugend, lindernd und heilend eignet. Wie intensiv die Wirkung neben anderen therapeutischen Maßnahmen sein wird, bleibt auszuprobieren.
Ohne Sorge
Heute greife ich beim Einkaufen sorglos zum Kasten Heilwasser, denn so teuer wie damals ist dieses kostbare Gut schon lange nicht mehr. Mit dem Wissen um meine Beschwerden und/ oder mithilfe einer ärztlichen Diagnose kann ich im Sortiment meines Getränkemarktes fündig werden.
Welche Heilwässer dem preußischen König geholfen hätten, sein Wohlbefinden zu steigern, lässt sich aufgrund der Distanz lediglich vermuten. Doch was mir ein Facharzt für Allgemeinmedizin über die gesundheitsfördernde Wirkung des Bad Windsheimer St. Anna Heilwasser berichten kann, erfahren Sie im nächsten Beitrag Was(-ser) trinken im Alltag.
Nachweise
Bild: Unsplash: Dana Ward, Sharissa Johnson, Omar Sotillo Franco, Fotograf: Frank Wiemer/Bad Windsheim
Text: ¹Mineralwasserkrüge aus Selters: Der Mineralbrunnen - Autor: Dr. Ulf Wieland; ²Friedrich der Große – Patient, seine Ärzte und die Medizin seiner Zeit - Autor: Prof. Dr. med. Dirk Fahlenkamp, Facharzt für Urologie
Was(-ser) tut mir gut
3. Teil - Schon mal ein Heilwasser probiert?
Was mache ich, wenn mir der Geschmack eines Wassers zunächst ungewohnt erscheint, seine Wirkung dagegen aber guttut? Im dritten und letzten Beitrag der Interview-Folge: Schon mal ein Heilwasser probiert? beantwortet wieder Dr. med. Paetow meine Fragen in seiner Arztpraxis.
Was(-ser) brauche ich
2. Teil - Schon mal ein Heilwasser probiert?
Die Aufmerksamkeit für anerkannte Heilwässer wächst. Wie wirksam kann so ein Wasser sein und wobei kann es mich unterstützen? Sie dürfen neugierig sein auf den zweiten Teil des Praxis-Interviews mit Dr. med. Arion Paetow, Facharzt für Allgemeinmedizin.
Was(-ser) trinken im Alltag
1. Teil - Schon mal ein Heilwasser probiert?
Erhöht sich unsere Aufmerksamkeit für Heilwasser wegen seinem nachgewiesenen gesundheitlichen Nutzen? Was kann ich von einem zertifizierten Heilwasser erwarten und worin besteht dessen Wirkung? Sie dürfen neugierig sein auf das Praxis-Interview mit dem Allgemeinmediziner Dr. med. Paetow.